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Stil, Handschrift und "high-style"

Das mit den Architektenhäusern ist so eine Sache…

 

Und für uns alle war es die Erschaffung eines Ortes, an dem man sich nicht erklären muss, an dem man einfach ‚sein‘ darf.

(aus „Wir bauen uns ein Zulunftshaus, Oona Horx-Strathern)

 

 

 

 

Manchmal fällt es uns Architekten schwer, die Wünsche und Bedürfnisse der Bauherren zu erkennen. Sie dürfen uns das nicht übel nehmen, wir alle haben in einem langjährigem Studium viel von Ästhetik, Baukunst, Statik und Bauphysik gelernt, aber sehr wenig von Bauherrenwünschen und gar nichts von Wohn- und Architekturpsychologie.

 

Die Auseinandersetzung mit echten Menschen, mit den Nutzern der Gebäude, ist zumindest in meinem Architekturstudium nicht vorgekommen – hoffentlich hat sich das bis heute geändert. Natürlich hat sich jeder vernünftige Architekt, der Einfamilienhäuser entwirft, im Selbststudium, durch Lebenserfahrung und Hausverstand selber eine Taktik zurechtgelegt, wie er am besten an die Bauherren herankommt und möglichst viel über ihre Bedürfnisse in Erfahrung bringt. Aber es ist verdammt schwer, manche Überzeugungen und eingelernte „Wahrheiten“ loszulassen.

 

Laut Antje Flade, einer Expertin im Bereich Wohnpsychologie, bevorzugen schon Architekturstudenten „high style“ Häuser.  Ich nehme einmal an sie denken dabei an gerade Linien, klare Flächen oder was sonst gerade modern erscheint. Das wäre ja grundsätzlich kein Problem, solange diese Vorstellung mit denen der Bauherren zusammenpassen. Wenn es den Wohnbedürfnissen und –wünschen der zukünftigen Bewohner entspricht ist es auch absolut gut und richtig, „high style“ Häuser zu planen. Aber das passt halt nicht immer.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum man beim Architekturstudium so wenig über Einfamilienhäuser und individuelle Planungen lernt. Ich habe in meiner gesamten Studienzeit – bis auf meine Diplomarbeit, die ich selbst gewählt habe, kein einziges Mal von Nutzer-Bedürfnissen oder Wohnwünschen gehört, dafür sehr viel von Standard Lösungen, optimale m² Zahlen, Wirtschaftlichkeit usw. Ein Professor sagte bei einer Wohnbau-Übung zu uns Studenten: „Die schwierigste Aufgabe für einen Architekten die Planung eines Einfamilienhauses.“

Warum man gerade das dann bei Studium völlig ausklammert ist mir bis heute ein Rätsel. Außerdem kann ich persönlich diese Ansicht nicht teilen. Ich finde, die Planung eines Hauses oder anderer privater Wohnflächen ist eine wunderschöne Aufgabe. Weil man nicht für eine unbekannte Masse plant, sondern für Herrn Maier oder Frau Schmidt und weil die zukünftigen Nutzer ein Gesicht und eine Stimme haben und weil man bei genauem Zuhören herausfinden kann, was sie brauchen, um sich in ihrem Haus wohlzufühlen. Dass das manchmal nicht den gängigen Vorstellungen von „Architektur“ und „high style“ entspricht, ist eine andere Sache. Es ist natürlich die Aufgabe eines Architekten, die losen Wünsche und Anforderungen in einem Rahmen zu bringen und alles ins rechte Licht zu rücken, also dem ganzen eine sinnvolle Struktur, eine schöne Hülle und vor allem eine Seele zu geben.

 

Mir persönlich ist es nicht wichtig, dass man bei den von mir geplanten Häusern meine Handschrift oder einen gewissen Stil erkennt – eher im Gegenteil. Ich finde das Haus besonders gelungen, wenn man die Handschrift der Bewohner erahnen kann…

 

Wenn sie jedoch von der Handschrift eines bestimmten Architekten so beeindruckt sind, dass ihnen viele von den Häusern, die er geplant hat, sehr gut gefallen und dass das sehr gut mit ihren Vorstellungen zusammenpasst, dann ist es sicherlich eine gute Idee, ihn für die Planung ihres Hauses zu beauftragen. Entscheidend ist, dass man als Bauherr weiß, worauf man sich einlässt und bei der Wahl eines geeigneten Architekten oder Planers ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich nicht nur seine fertigen Werke (sofern möglich) anzusehen, sondern mit den Menschen zu sprechen, die darin wohnen. Es ist wichtig, ob sie sich bei der Planung verstanden und wahrgenommen gefühlt haben – und am wichtigsten ist natürlich ob sie mit dem Ergebnis zufrieden sind.

Denn keine Architekturzeitschrift und keine Wettbewerbskommission kann beurteilen ob ein Haus wirklich gelungen ist – sondern nur die Bewohner selbst.

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